Die Terps, wie die drei Übersetzer heißen, mit denen wir untergebracht sind, spielen Karten im Zelt. Es ist der erste Tag, an dem die Sonne nicht scheint. Habe heute angefangen, das Interview mit Bataillonskommandeur Taylor abzutippen, das ich noch in Sharana West geführt hatte.
Mich im TOC bei Captain Perkins nach der Lage erkundigt. Der Tag wurde am frühen Morgen wieder mit einem Angriff eingeläutet. Es knallte ein paar Mal ziemlich laut und dann ertönte eine blecherne Stimme über die Lautsprecher. “Incoming, Incoming, Incoming”. Unter Beschuss.
Zähflüssiges Rollenspiel
Für heute ist wieder eine Patrouille nach Sar Hawsa, ein Airdrop, bei dem Paletten mit Versorgungsgütern abgeworfen werden sollen, und dann eine Nacht auf Patrouille mit First Leutnant Tim Tracy und seinem Zug geplant. Axel wird die Nacht nicht draußen verbringen. Er kann keine Bilder machen.
Wir werden die den ganzen Tag von Kampfflugzeugen und Apaches überflogen. Das Rollenspiel während des Besuchs in Sar Hawsa läuft zähflüssig, sei es weil die Soldaten und Übersetzer überfordert sind, oder die Protagonisten das Spiel nicht wirklich ernst nehmen.
Der Civil Affairs Officer, der Typ der auf Brigadeebene das Geld der Army für Aufbauprojekte verwaltet, Leutnant Michael Gilett, ist mit einer Abordnung aus dem Hauptlager Sharana West angerückt. Er hat die Kohle im Koffer, für den Krankenhausneubau. Pay day.
Mit zwei Squads ins Dorf
Insgesamt sichern zwei Squads, Gruppen, den Ausflug ins Dorf. Mit drei Übersetzern, dem Besuch aus dem Hauptquartier sind wir insgesamt 24 Personen. Dieses Mal ist ein auch ein Mörserteam mit einem 60-Millimeter-Rohr mit von der Partie – dabei lautet die Maxime, “non-threatening” aufzutreten – nicht einschüchternd.
Wir werden dieses Mal nicht von polnischen Soldaten ins Dorf begleitet, die hier auf Übung Soldaten der Afghan National Army (ANA) spielen und bei uns im COP wohnen. Eigentlich sollen keine Aktionen ohne afghanische Partner durchgeführt werden. Erstens, weil sie im echten Leben alleine für die Sicherheit in Afghanistan sorgen sollen. Zweitens, weil so mehr Legitimität geschaffen wird. Wenn etwas schief geht, waren nicht nur die Amis sondern auch Einheimische beteiligt.
Wir besuchen die neugebaute Polizeistation im Dorf. Der Polizeichef wird von einem echten Afghanen gespielt. Nasser, der Übersetzer oder Terp, kann also tatsächlich von Paschtu ins Englische übersetzen. Und nicht wie viel andere Male von Deutsch ins Englische, was der Sache manchmal eine unfreiwillige Komik verleiht, da die Terps nur relativ schlechtes Deutsch sprechen.
Axel bekommt Ärger
Axel bekommt während wir ’rumstehen Ärger mit einem “Einheimischen”. Der von einem Deutschen gespielte Dorfbewohner beteuert, Axel habe gefrevelt und Frauen fotografiert, die in ihren Burkas die Straße entlang gingen. Axel seinerseits versichert, er habe keine Fotos gemacht und kauft nach kurzer Verhandlung den stellvertretenden Polizeichef und den Mann, der ihn beschuldigt, schließlich für jeweils 100 Afghani.
Nach einer langen Inspektion der Polizeistation samt Gefängniszellen, geht es weiter Teetrinken beim Provinzgouverneur, der als zweiter Mann im Übungsdorf von einem echten Afghanen gespielt wird.
Wir betreten das Büro des Administrators, draußen ruft der Muezzin vom gefakten Minarett zum Gebet. Ob das bayrische Bauamt, dem Bau der Mosche wohl zustimmen musste? Die Abordnung bekommt Tee serviert. Der Distriktadministrator ist gut gecastet, ein echter Afghane, der erhaben wirkt, dessen Namen und Foto wir nicht veröffentlichen dürfen, wegen der Gefahr von Repressalien im Heimatland.
Fertigessen im Busch
Kurz vor 16 Uhr kommt Second Lieutenant Tim Tracy aus Tampa Florida ins Zelt und informiert uns, dass wir Teile seiner Einheit um 21.00 Uhr vor dem TOC (Tactical Operations Centre) treffen. Tracy ist West-Point-Absolvent.
Doch letztlich fand die Patrouille ohne mich statt. Um etwa 16.00 Uhr fahren wir im MRAP mit zum Airdrop und sollen die DZ (drop zone) sichern. Das Flugzeug hat Verspätung. Wir sehen aus der Ferne wie die Transportmaschine zweimal kurz durch die tief hängende, dichte Wolkendecke stößt und ihre Last in zwei Überflügen abwirft. Es wird langsam dunkel.
Wir erfahren, dass beim Airdrop eine der Paletten mit MREs (Meal Ready to Eat) ohne Fallschirm heruntergekommen und zerschellt ist. Der Aufprall soll nach Zeugenangaben einer Explosion sehr ähnlich gewesen sein. Der Inhalt der MREs verteilte sich dabei über die Dropzone.
Die Soldaten sind mehrere Stunden damit beschäftigt, das Essen aus vom Truppenübungsplatz zu kratzen. Es wird schnell dunkel. Insgesamt sitzen wir schließlich acht Stunden im MRAP herum. Wir kramen jeder aus einem Karton MREs und essen sie kalt. Ich habe Chicken Fajita mit scharfen Crackern abgekriegt.
“Fuck the wild life”
Als es heißt, dass die Kommandantur des Übungsplatzes die Übung unterbricht, damit auch alle Reste aus den Büschen gefriemelt werden können, weil sich sonst das Wild an dem Schmierkäse und Crackern vergeht, heißt der süffisante Kommentar unseres 24-jähriger Gunners, Tyler Skauge: „Fuck the wildlife!“. Wir sind erst nach 24.00 Uhr wieder im Lager.